aber auch wieder nur die Sichtweise der Konzernoberen (und manche Sachen, die verwirrend klingen, sind es vielleicht auch deswegen, weil sie nicht logisch sind :o).
Machen wir eine einfache Rechnung: unterstellen wir einmal, dass die Schweizer wirklich um die 13% "reicher" als vor der Freigabe des Frankenkurses. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Arbeitszeit um ca. 10% gestiegen und der Lohn teilweise um bis zu 5% gefallen. In Summe klingt das für mich nicht nach "nun sind wir alle viel reicher", zumindest nicht jene, auf die das ganze nun abgewälzt wird. - Wenn der Franken sich nicht geändert hätte und die Leute einfach die Arbeitszeit aufgestockt hätten (bei vollem Lohnausgleich), dann hätten sie mehr davon gehabt...
Und ja, natürlich kann man Effizienz steigern. In der Praxis kann das zwei Dinge bedeuten: entweder werden durch die Steigerung von denselben Personen mehr Güter produziert. Die müssen abgesetzt werden, was naheliegender Weise v.a. im Ausland funktioniert. In einem der letzten Beiträge wurde darauf hingewiesen, dass der Handelsüberschuss mit einen Anteil am hohen Franken hat - diese Form der Effizienzsteigerung würde also bedeuten, dass sich ein Kreislauf in Bewegung setzt - immer effizienter werden, immer mehr im Ausland absetzen, damit den Handelsüberschuss steigern und den Frankenkurs weiter hochtreiben und wieder von vorn. Kann das auf Dauer gut gehen?
Alternativ kann man die Effizienzsteigerung auch erreichen, indem man dieselbe Anzahl an Gütern produziert, allerdings mit weniger Aufwand. Ich überlasse es nun jedem selbst, sich auszumalen, zu wessen Lasten dieser Ansatz am Ende gehen wird.
Und zu guter letzt, weil ich die Antwort schon wieder höre ("In der Vergangenheit hat die Schweiz es immer geschafft, über Effizienzsteigerungen wettbewerbsfähig zu bleiben"): Zum einen gibt es auch Grenzen bei der Steigerung der Effizienz. Zum anderen kann auch Effizienzsteigerung nicht immer weiterhelfen. Es gibt aus den 50iger und 60igern ein wunderbares Gegenbeispiel: die Herstellung von Haarnetzen wurde soweit optimiert, dass genau zwei Hersteller behaupten konnten, den Markt zu beherrschen und den Produktionsprozess weitgehend optimiert zu haben - die waren konkurrenzlos. Und dennoch gingen beide ein, weil irgendwann das Haarspray erfunden wurde. Man kann sich also nicht nur auf Effizienzsteigerung verlassen.
Mein Gefühl ist, dass viele hier im Forum einen ziemlich eingeschränkten Blick auf die Situation haben (was OK ist und eigentlich naheliegend, vor allem, wenn man aus dem System kommt), weswegen einige nur aneinander vorbeireden. Und viele bringen immer nur Beispiele, welche ihre ohnehin vorgefertigte Meinung zementiert.
Es gibt zwei Extrempositionen: 1. Alles bleibt gut und die Schweiz wird immer toll sein... (Fokus: Chefetage, Wirtschaft von oben)
2. Alles geht den Bach runter. Die Schweiz fällt in eine Rezession, die Wirtschaft geht krachen und alles wird schlimm (Sozial-Blickwinkel).
Die Wahrheit wird wahrscheinlich irgendwo dazwischen zu liegen kommen. Fragt sich nur, was das heißt? Darauf habe ich aber leider keine Antwort, sondern könnte auch nur spekulieren...
Dabei hängt meiner Meinung nach viel von der Frage ab: Was bedeutet ein Wechselkurs in Bezug auf Wirtschaftsentwicklung und Wohlstand der davon betroffenen Bevölkerung? Ich bin der Meinung, dass die Kursentwicklung losgelöst betrachtet gar keine Aussage zu dieser Frage erlaubt. Ich denke, dass zumindest ein weiterer wichtiger Parameter, der nicht außen vor bleiben darf, die Inflation ist. Ich denke, dass eine schwache Währung nur dann problematisch ist, wenn sie mit einer hohen Inflation einhergeht. Diese Situation kurbelt zwar die Wirtschaft an (zumindest wird ein höheres Wirtschaftswachstum damit erzeugt - ob es auch bei den betroffenen Einwohnern ankommt, wage ich zu bezweifeln, wie die Beispiele Russland und China in der Zeit von 2000 bis heute meiner Meinung nach recht gut belegen), aber die Inflation führt letztlich dazu, dass in Summe breite Teile der Bevölkerung praktisch enteignet werden. Und hier liegt meiner Meinung nach die größte Unsicherheit bei der Politik der EZB, insbesondere weil sie ihre Argumentationen nicht mit einer Kerninflation (exkl. v.a. der Mineralölprodukte) argumentiert, sondern mit der gesamtinflation - die ist aber nur wegen des Ölpreisverfalls nahe Null. So gesehen teile ich die Sorge einiger hier aus dem Forum durchaus.
Tritt keine deutlich erhöhte Inflation auf (eine solche würde nebenbei auch die Schweiz treffen, selbst wenn die Inflation im Euroraum auftritt, weil die Schweiz vor allem aus Europa importiert - es sei denn, die Inflation würde durch einen parallel steigenden Franken kompensiert. Aber das wäre dann wohl ein echtes Problem für die Schweiz, siehe dazu oben) dann ist ein sich ändernder Wechselkurs eine reversible Größe. Klar ist der Schweizer Franken seit 2008 stark gestiegen (und ja - solche Kurse gab es noch nie). Und klar ist der Euro gegenüber dem Dollar ziemlich abgewertet in der letzten Zeit. Aber das gab es auch schon früher: der Franken hat auch zwischen 1997 und 2003 stark aufgewertet gegenüber dem Euro. Das wurde zwischen 2003 und 2008 aber vollständig kompensiert. Und erinnert sich noch jemand hier, dass man für einen Euro auch schon mal nur 0.84 US Dollar bekommen hat? Auch damals (2001-2002) waren schon die Unkenrufe laut, dass der Euro eine schrecklich weiche Währung sei und eine Totgeburt ect. Die Stimmen damals in den Medien waren gar nicht so weit weg von dem, was man heute in den Foren liest (die es damals aber so noch nicht gab :o)
Lange Rede, kurzer Sinn: die aktuelle Schwäche des Euro ist wohl weder Anlass zur Weltuntergangsstimmung, noch den Euro tot zusagen. Die große Frage, welche zu beantwortet ist lautet: wird Europa in Zukunft wieder zu einem soliden und wirtschaftlich gesundem Wachstum zurückkehren. Ich denke, dass kaum daran gezweifelt werden dürfte, dass Europa irgendwann wieder Wachstum aufweisen wird (eher steht die Frage WANN? im Raum). Viel unklarer ist, ob dies zu Lasten weiter Teile der Bevölkerung (Inflation) geschieht und/oder ob Europa dann von seiner Zusammensetzung noch jenes Europa ist, das wir heute kennen.
Alle anderen hier im Forum angeführten Fakten, Meinungen oder auch nur Spekulationen sind nach meiner Ansicht sicher kurzfristig spannend und interessant - langfristig werden sie aber nach meiner Einschätzung eine ziemlich untergeordnete Rolle spielen.
Viele Grüße
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