ein ambivalentes wie interessantes Polit-Kino, welches zurecht als "reiner Thesenfilm" und "Dokument der Hilfslosigkeit" gewertet werden kann, jedoch die geführten Diskussionen einem inhaltlich zu denken geben müssen. Die folgenden beiden Filmkritiken sind wirklich sehr gut und greifen in ihrer Gesamtheit alle Aspekte auf, weshalb man den Film eigentlich unbedingt sehen sollte... Von Löwen und LämmernHierbei geht es um das Scheitern des liberalen Amerikas, das in vorauseilendem Gehorsam den Konservativen den Weg gebnet hat und irgendwo zwischen embedded journalism und zynischer Politikverdrossenheit die eigene Integrität verloren hat. ”Do you want to win the war on terror? Yes or No? This is the quintessential Yes or No question of our time.“ Tom Cruise gibt in Robert Redfords Von Löwen und Lämmern (Lions for Lambs) den knallharten Neokonservativen Jasper Irving, der in einem Interview Meryl Streep als idealistischer Journalistin nur anfangs Rede und Antwort steht. Alsbald dreht er den Spieß um. Denn auf der Anklagebank steht hier nicht in erster Linie die Regierung Bush – diese ist von Anfang an im Unrecht und muss nicht mehr aufwändig kritisiert und verurteilt werden. Vielmehr geht es um das Versagen des liberalen Amerikas, das in vorauseilendem Gehorsam den Konservativen den Weg ebnete und irgendwo zwischen embedded journalism und zynischer Politikverdrossenheit die eigene Integrität verloren hat. Robert Redford nimmt sich des Afghanistan-Konflikts an. Cruises Irving entwirft einen neuen Plan für den finalen Sieg gegen die Taliban. Während die ersten Truppen bereits auf dem Weg in die afghanischen Hochplateaus sind, absolviert der Senator das PR-Programm. Von Löwen und Lämmern ist ein message picture, ein reiner Thesenfilm, der sich keinerlei Mühe gibt, seine Botschaft in einer klassischen Spielfilmhandlung mit psychologisch ausformulierten Figuren zu verpacken. Wenn Meryl Streep sich vor dem Interview die Lippen nachzieht, ist dies bereits Teil des politischen Programms des Films. Genauso wie die dandyhafte Sonnenbrille Andrew Garfields, der den zynischen Studenten Todd Hayes verkörpert. Nie verschwinden die Schauspieler hinter ihren Charakteren. Cruise bleibt immer Cruise, hier noch mehr als in seinen übrigen Rollen. Umso besser funktioniert die Montage, die den Weltstar gemeinsam mit George Bush auf einer Fotografie unterbringt. Auch Robert Redford bleibt immer Robert Redford, das selbsterklärte liberale Gewissen des amerikanischen Films. Und als solches lässt er es sich nicht nehmen, auch in Von Löwen und Lämmern als – man höre und staune – Professor der Politikwissenschaft Stephen Malley lautstark seine Ansichten zu vertreten.
Wie gesagt: Ein reiner Thesenfilm. In diesem Fall bedeutet dies vor allem eine ungeheure Dominanz des Dialogs. Mehr als die Hälfte des Films besteht aus zwei langen und intensiven Gesprächen: Das bereits erwähnte Interview Streeps mit Cruise einerseits und eine ebenso ausführliche Auseinandersetzung zwischen Redford und Garfield andererseits. Dabei geht es bei weitem nicht nur um Afghanistan. Verhandelt wird neben dem Nahostkonflikt in Gegenwart und Vergangenheit eine beeindruckend breite Palette an Themen, die beide Weltkriege, sowie den Vietnamkrieg, aber auch die veränderte Rolle der Medien in der modernen Kriegsführung oder amerikaspezifischere Bereiche wie affirmative action einschließt. Allzu viel Neues, so werden manche einzuwenden haben, verkünden Redford, Cruise, Streep und Garfield zwar nicht. Erstaunlich ist aber doch die Vehemenz und Ernsthaftigkeit, mit welcher Von Löwen und Lämmern die Befindlichkeiten des liberalen Amerikas in Diskursform ausbreitet. Nun ist Redford natürlich kein Radikaler, weder politisch noch ästhetisch. So gehorcht denn auch die Filmsprache in jeder Hinsicht den Regeln Hollywoods. Talking Heads in Großaufnahmen und die Schuss/Gegenschuss-Technik, Standardformel für Gesprächsszenen seit der Stummfilmzeit, prägen den Film. Und auch seiner minimalistischen Versuchsanordnung traut Von Löwen und Lämmern leider nicht ganz. So fügt Redford den beiden oben erwähnten lange Zeit völlig voneinander unabhängigen Erzählsträngen noch einen dritten hinzu, der die diskursiven, wie die inhaltlichen Ebenen des Films mehr schlecht als recht verbindet und auf den Kriegsschauplatz selbst führt. Die von Cruise / Irving in Auftrag gegebene Attacke wird von Peter Berg – der jüngst mit Operation: Kingdom (The Kingdom) seinen eigenen, recht durchwachsenen Film zum Nahostkonflikt vorlegte, welcher noch dazu aus der Feder desselben Drehbuchautors stammt – als Lieutenant Falco geleitet. Gleich der erste Kampfhubschrauber der Operation gerät unter heftigen Beschuss und zwei Amerikaner finden sich alleingelassen auf einem Schneefeld wieder, umzingelt von bis an die Zähne bewaffneten Taliban-Kämpfern. Und ausgerechnet diese beiden Soldaten waren einst vielversprechende Studenten bei Redford / Malley. Ärgerlich ist an den Afghanistan-Szenen weniger der Pathos, mit welchem Redford in dieser Episode äußerst großzügig umgeht. Ärgerlich ist vielmehr der Versuch, die politischen Auseinandersetzungen der restlichen beiden Filmdrittel mithilfe eines plumpen Drehbuchmanövers wieder in eine konventionelle Spielfilmhandlung zu integrieren. Zugutehalten kann man dem Film jedoch paradoxerweise sein Scheitern: Der Versuch gelingt nicht im entferntesten. Sowohl Cruises Neoconinterpretation als auch Redfords liberaler Idealismus weisen weit über das melodramatische Finale in den Bergen Afghanistans hinaus. Ein Dokument der HilflosigkeitLions for Lambs ist die spielfilmische Diskussion einiger Punkte zum amerikanischen “War against Terror” und der Positionierung von liberal media und liberal intelligentsia zu diesem. Figuren in kammerspielartigen Interview-Situationen, die Fragen der Politik und Moral miteinander verhandeln, des persönlichen und nationalen Einsatzes, des Richtig und Falsch. Szenarien: ein republikanischer Senator (Tom Cruise) propagiert einer so kritischen wie selbstzweifelnden Reporterin (Meryl Streep) eine neue Strategie für Afghanistan. Robert Redford bemüht sich als Politikwissenschaftsprofessor in seiner Sprechstunde, einen dem Nihilismus verfallenen Studenten mit politischem Potential auf den rechten Weg zurück zu führen. Zwei weitere Studenten Redfords stecken dagegen in Afghanistan in einer misslichen Lage, nachdem sie es mit dem persönlichen politischen Engagement etwas zu ernst genommen haben und der Armee beigetreten sind. Auch wenn all diese Stränge rudimentäre Spannungsdramaturgie besitzen (am stärksten noch der letzte; das Afghanistan-Szenario ist einfach zu verführerisch, um nicht doch etwas mit Blut und Tränen draus zu machen; sogar ansatzweise CGI-Action gibt’s dabei zu sehen), ist der Film auf dieser Ebene doch ziemlich blutleer. Hier geht es nicht um Figurenentwicklung, Plotpunkte oder ähnlichen narrativen Schmarrn, sondern ums Auskosten einiger politischer Ideal-Diskussionen und -Argumente zur Befriedigung US-liberaldemokratischen Feuilletons; nur halt ausgefochten von prominenten Schauspielern statt von Pundits in politischen Talkrunden. Dass auf diese Weise überhaupt in Hollywood diskursives Kino gemacht wird, ist dabei bemerkenswerter als das inhaltliche Ergebnis: ein selbstmitleidiges und von Schuldgefühlen geplagtes Eingeständnis War-on-Terror-oppositioneller Befindlichkeit, dass man selbst auch nicht so recht weiß, wie man den ganzen Schlamassel denn richtig und unkorrumpiert angehen solle; der diffuse Aufruf, nicht dem Nihilismus zu verfallen, sondern trotzdem mit dem Mut, irgendwas zu tun, aufzustehen, auch wenn das in die Hose gehen mag; und die Erinnerung daran, dass es furchtbar ist, die Söhne und Töchter des Landes in diesem Krieg zu verlieren. Den letzten Punkt bringt Lions for Lambs noch am relativ eindringlichsten zur Geltung, über die Soldantenfriedhofsaufnahmen am Schluss und den künstlerisch gestalteten Abspann, in dem aus Silhouettenbildern des amerikanischen Lebens einzelne Figuren als Gefallene verblassen. Nimmt man das alles zusammen, verbleibt der Film aber nur als Zeugnis politischer Hiflosigkeit.
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