am Wochenende gesehen - unfassbar spannend und fesselnder Film. Macht ne menge Lust auf die nachfolgenden Teile... Verblendung Die Verfilmung des ersten Romans aus Stieg Larssons Bestseller-Trilogie Millenium führt hinter verschlossene Türen des schwedischen Geldadels und gewährt einen größtenteils spannenden Blick auf die Abgründe menschlichen Handelns.
Kaum ein skandinavischer Kriminalautor hat in den letzten Jahren die internationalen Bestsellerlisten derart beherrscht wie Stieg Larsson mit seiner Millenium-Trilogie. Ein Erfolg, der dem gesellschaftskritischen Publizisten und Rechtsextremismusexperten erst posthum zuteil wurde: Der 2004 im Alter von 50 Jahren verstorbene Journalist hinterließ drei unveröffentlichte Millenium-Manuskripte und Skizzen für sieben weitere Werke. Weltweit wurden mehr als 15 Millionen Exemplare der Millenium-Trilogie verkauft, Larsson rangierte 2008 global auf Platz Nr. 2 nach Khaled Hosseinis Der Drachenläufer – sein Roman Verblendung war im gleichen Jahr eines des bestverkauften Bücher in der EU. Der Logik des Filmindustrie folgend, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Millenium-Trilogie ihre Kinoaufbereitung erfährt. Mit Verblendung liegt nun in der Regie von Niels Arden Oplev (Der Traum, Drømmen, 2005) der erste von drei Filmen vor. Film Nr. 2 (Verdammnis) und Nr. 3 (Vergebung) sind bereits in Produktion und kommen 2010 in die Kinos. Verblendung ist zweifelsfrei ein handwerklich solide inszenierter Thriller, der jedoch augenscheinlich an den regelmäßigen Gewichtungsproblemen von Literaturverfilmungen leidet: Wo Larssons Romanvorlage mit vielschichtigen Personenporträts und Subplots eine faszinierende Topografie der schwedischen Gesellschaft mit ihren Verwerfungen zeichnet, fokussiert sich das Drehbuch von Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg auf eine Detektivgeschichte mit allen ermittlerischen Finessen und bleibt so vergleichsweise eindimensional. Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist), der erfolgreiche, kompromisslose und gefürchtete Enthüllungsjournalist des „Millenium“-Magazins, erhält von Henrik Vanger (Sven-Bertil Taube), dem Senior des mächtigen Vanger-Familienkonzerns, den Auftrag, den vermutlichen Mord an seiner Lieblingsnichte Harriet aufzuklären. Diese verschwand vor über dreißig Jahren auf mysteriöse Weise bei einem Familienfest. Der Fall ist offiziell unaufgeklärt, abgeschlossen und erledigt. Blomkvist nimmt den Auftrag an und begibt sich zum Familiensitz des Vanger-Klans auf der Insel Hedeby, wo mehrere Generationen der Vangers verfeindet nebeneinander leben und sämtlich als Mörder in Betracht kommen. Getarnt als Henriks Biograf, steigt Blomkvist in die Familiengeschichte ein und versucht mühsam und zunächst recht erfolglos, den Fall aufzurollen. Was im Buch als spannender Blick hinter die geschlossenen Türen einer schwedischen Großindustriellenfamilie gelingt, reduziert sich im Film leider auf klischeehafte Geheimniskrämerei. Die teilweise faschistische Gesinnung der Vätergeneration und der Hang zur absoluten Machtausübung einschließlich ihrer perversesten Ausprägung, der rituellen Folterung und Ermordung von Frauen, werden im Film nur so weit angedeutet, wie es für den Thrillerplot notwendig erscheint. Einblicke in das Seelenleben der Täter oder ihre Motive spart Verblendung nahezu aus und bleibt somit oberflächlich und hinter den durch seinen Originaltitel gesetzten Erwartungen zurück: Im schwedischen Original heißen Buch und Film Män Som Hatar Kvinnor, also Männer, die Frauen hassen. Der eher beliebig wirkende deutsche Titel Verblendung mag wohl mehr das Ergebnis eines schlauen Marketings sein. Ganz anders wiederum der englische Titel: The Girl With The Dragon Tatoo: Dieser bezieht sich auf Blomkvists skurrile Partnerin, das Computergenie Lisbeth Salander (Noomi Rapace). Lisbeth ist hübsch, introvertiert, unumgänglich, weil schwer traumatisiert, und hat autistische Züge. Auch sie birgt ein schreckliches Geheimnis, das der Film zum Ende hin enigmatisch in Rückblenden preisgibt. Lisbeth schließt sich Blomkvist an, und erst gemeinsam können sie die grauenhaften Ereignisse auf Hedeby dem Nebel der Vergangenheit entreißen. Ohne einen tieferen Blick auf die Gesellschaft fokussiert sich Verblendung vornehmlich auf das Sex-und-Gewalt-Thema, baut die Geschichte von Lisbeth Salander als Opfer von männlicher Gewalt erheblich aus und lässt auf sadistische Gewalt ungehemmte Gegengewalt folgen: Lisbeths Vergangenheit und Gegenwart ist gezeichnet von Männern, die Frauen hassen, von sadistischen Machtspielen, gegen die sie sich energisch zur Wehr setzen muss. Im Übrigen versucht der Film narrativ so nah wie möglich an der Erzählstruktur des Buches zu bleiben und kein Handlungselement auszulassen, wodurch ein weiteres Problem von Verblendung entsteht: die anfangs geschickt aufgebaute Spannung verbraucht sich zunehmend in den endlosen Ermittlungen der beiden Protagonisten und führt zu einer spürbaren Langatmigkeit. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Soundtrack des dänischen Komponisten Jacob Groth: Genretypisch stimmig wirken zunächst die paraphrasierenden Streicherostinati und Schlagwerkbatterien. Jedoch bleibt die Musik im Fortgang der Filmhandlung zu gleichförmig und nutzt sich merklich ab. Dass Verblendung dennoch größtenteils spannend bleibt, liegt vor allem an den hervorragenden schauspielerischen Leistungen des Protagonisten-Duos: Michael Nyqvist (Der Typ vom Grab nebenan, Grabben i graven bredvid, 2002) verkörpert Blomkvist als idealistischen Wahrheitssucher, dem Tiefschläge und eigene Fehler nicht unbekannt sind. Noomi Rapace als Lisbeth Salander kreiert eine Figur von faszinierender Komplexität, die Stärke und Zerbrechlichkeit, erlittenes Leid und gerechte Wut in einer Person vereint. Verblendung ist ein Thriller, der einen oberflächlichen Blick auf Abgründe menschlichen Handelns freigibt. Für alles Weitere lese man das Buch. Als Film zum Buch ist Verblendung allemal sehenswert. Kritik von Robert Zimmermann
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